Steuerfreier Zusammenschluss: Die steuerliche Wunderwaffe?

Von Peter Scheller

In Zeiten, in denen sich Unternehmern auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, werden gewisse Dienstleistungsbereiche aus dem Unternehmen ausgegliedert. Outsourcing heißt das auf Neudeutsch. So gliedern Krankenhäuser die Wäscherei oder die Verpflegung von Patienten und Gästen aus. Kreditinstitute und Versicherungen lagern EDV- oder Vertriebsabteilungen aus. Das Einsparungspotential liegt darin, dass die Outsourcingunternehmen für verschiedene Auftraggeber tätig werden. Besonders deutlich wird dies bei Arztpraxen, die gemeinschaftlich teure medizinische Geräte über eine gemeinsame Gesellschaft anschaffen und in der Folge gemeinsam nutzen. Damit können Geräte deutlich effizienter genutzt werden, als es jeder Einzelpraxis möglich wäre, wenn sie die teuren Geräte selbst anschaffen würden.

Das Problem des Outsourcings kann darin liegen, dass die Outsourcingunternehmen ihre Leistungen mit Umsatzsteuer abrechnen müssen. Sind die Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist dies kein Problem, weil diese die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer auf die eigene Umsatzsteuer anrechnen können. Handelt es sich bei den Leistungsbeziehern allerdings um Unternehmen, die selbst steuerfreie Leistungen erbringen, wird die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer der Outsourcingunternehmen zum Kostenfaktor. Die gilt beispielsweise für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Versicherungsmakler und Unternehmen des Gesundheitswesens wie Krankenhäuser, Pflegeheime und Arztpraxen. Für diese erhöhen sich die Kosten outgesourcter Leistungen um die Umsatzsteuer.

In Konzernen lässt sich diese nachteilige Folge in der Regel durch eine umsatzsteuerlich Organschaft vermeiden. Anderen Unternehmen steht diese Möglichkeit allerdings nicht offen. Für diese Unternehmen hält das europäische Umsatzsteuerrecht eine Gestaltung bereit, die den Umsatzsteuernachteil vermeidet, den Steuerfreien Zusammenschluss.

Ein Steuerfreier Zusammenschluss muss folgende Voraussetzung erfüllen:

  • Der Zusammenschluss muss eine eigenständige Tätigkeit ausüben und gegenüber seinen Mitgliedern selbständig auftreten.
  • Die Mitglieder sind Unternehmen, die selbst steuerfreie Leistungen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung erbringen.
  • Die Leistungen des Zusammenschlusses dienen der steuerfreien Tätigkeit der Mitglieder.
  • Der Zusammenschluss darf mit den Leistungen an seine Mitglieder keinen Gewinn erzielen.
  • Die Tätigkeit des Zusammenschlusses darf zu keinen Wettbewerbsverzerrungen führen.

Es ist also möglich, dass mehrere Unternehmen einer Branche eine gemeinsame Non-Profitgesellschaft  gründen, um dadurch Effizienzvorteile zu nutzen. So könnten zum Beispiel mehrere Krankenhäuser eine Wäscherei gemeinsam nutzen, die in ein selbständiges Unternehmen ausgegliedert wird.

Viele Zweifelsfragen sind in diesem Zusammenhang noch offen. Das liegt insbesondere daran, dass Deutschland die europarechtlichen Vorgaben nicht umgesetzt hat. Deshalb gibt es keine innerstaatlichen Rechtsvorschriften und nur wenige Äußerungen der Finanzverwaltung. Fest steht aber, dass Unternehmen sich direkt auf die einschlägige europarechtliche Vorgabe des Art. 132 Abs. 1 lit. f  MWStSystR berufen können. Danach dürfte auch ein grenzüberschreitender Zusammenschluss steuerlich begünstigt sein. Voraussetzung ist nur, dass die Mitglieder umsatzsteuerlich in der EU ansässig sind.

Schon vielfach wurde im Rahmen des sybo-Blogs auf die nachlässige Arbeit deutscher Steuergesetzgebungsinstanzen hingewiesen. Hier ist ein weiteres Kapitel steuerpolitischer Unzulänglichkeit zu bestaunen. Deutschland ist seit dem 1. Januar 1990 verpflichtet, die europarechtliche Vorgabe umzusetzen! Wieso es Steuerpolitikern nicht möglich ist, in zwanzig Jahren eine Richtlinienbestimmung, an der sie selbst mitgewirkt haben, in deutsches Recht umzusetzen, wird wohl ewig im Dunkeln bleiben.